van Eyck Project


Brett Leighton, Gotische Orgel

Masako Art, Gotische Harfe

Elizabeth Rumsey, Fidel, Leitung

Sabine Lutzenberger, Gesang

Giovanni Cantarini, Gesang

Achim Schulz, Gesang


                        ROSE, LILIE, HIMMELSSTERN


Höfische Minne und Marienverehrung


Ave maris stella Anonym. Codex Faenza, um 1410 Play recording (.mp3)

Vergene bella Guillaume Dufay, 1397-1474


O flos fragrans Johannes Brassart, um 1400-1455

Tota pulcra es Arnold de Lantins, † vor 1432


O florens rosa mater Christi Anonym Buxheimer Orgelbuch, um 1450 Play recording (.mp3)

Portigaler Guillaume Dufay. Buxheimer Orgelbuch

Ave regina Walter Frye, † vor 1475. Buxheimer Orgelbuch


O rosa bella Instrumental (Tenor nach Johannes Ciconia

O rosa bella Johannes Ciconia, 1370 – 1412

Pulcherrima de virgine Anonym. Buxheimer Orgelbuch

Rosetta Antonio Zacara da Teramo, um 1400. Codex Faenza


                        TRIPTYCHON


Marienleben in drei Bildern


            VIRGO SERENA

Craindre vous vueil Guillaume Dufay Play recording (.mp3)

Benedicamus Domino Anonym. Codex Faenza

O incomparabilis virgo Guillaume Dufay

 

            MARIA MATER CHRISTI

Rorate celi desuper et nubes pluant Anonym. Buxheimer Orgelbuch Play recording (.mp3)

Dies est Leticie Jn ortu regali Anonym. Buxheimer Orgelbuch

Agnus Dei Gilles Binchois, um 1400 - 1460

O intemerata virginitas Anonym. Buxheimer Orgelbuch Play recording (.mp3)


            MATER DOLOROSA

Dulongesux Gilles Binchois. Buxheimer Orgelbuch

Cristus surrexit Anonym. Buxheimer Orgelbuch

In tua memoria Arnold de Lantins Play recording (.mp3)




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German version - summary English version follows this.


Rose, Lilie, Himmelsstern konzentriert sich auf die verbindenden Elemente zwischen der höfischen Liebeslyrik des 15. Jahrhunderts und der Dichtung zur Verehrung der Jungfrau Maria. Die Symbole der Rose, der Lilie und des Himmelssterns finden sich in beiden Genres, ebenso wie die unglückliche Lage des lyrischen Ichs als Merkmal der Hohen Minne: Die um ihre Gunst angeflehte Dame bleibt durch ihre Tugend unerreichbar. Triptychon präsentiert drei musikalische Bilder aus dem Leben der Jungfrau Maria, wobei die mittlere Tafel dieses "Bildes" auf das Polyptychon von Jan Van Eyck verweist. Das Agnus Dei von Gilles Binchois versteht sich in diesem Fall als Hommage auf die Abbildung, die möglicherweise Binchois an der Orgel darstellt.


Viele dieser Stücke wurden in verschiedenen Formen mit unterschiedlichen Texten benutzt. Or me veult etwa ist in vielen verschiedenen Quellen unterschiedlichster Art überliefert, etwa als Tenor in liturgischer Musik aus England, in Schottischen Tänzen des 16. Jahrhunderts, neu textiert als Laude und, wie heute zu hören, im Buxheimer Orgelbuch mit dem Titel Portigaler. Manche Texte aus dem Programm sind eindeutig geistlicher Natur, bedienen sich jedoch einer Sprache und eines musikalischen Idioms, die oft mit dem Chanson in Verbindung gebracht werden, wie in den Cantilena-Motetten deutlich wird. Andere Werke wie Zacara da Teramos Rosetta che non canci mai colore (das heute in der leicht ornamentierten Fassung des Codex Faenza erklingt) und Dufays Craindre vous vueil entziehen sich - möglicherweise beabsichtigt? - einer eindeutigen Zuordnung.

Die Form der Laude stellt eine bemerkenswerte Brücke zwischen den geistlichen und weltlichen Werken dieses Repertoires dar. Dem letzten Werk, Lantins In tua memoria, liegt ein konventioneller Andachtstext zugrunde, der mit den Worten "Dir zu Ehren, Jungfrau Mutter, mögen wir so leben, dass wir ewige Herrlichkeit erlangen" beginnt und bei einem recht rudimentären homophonen Satz in den darauffolgenden Versen verschiedene verehrungswürdige marianische Attribute aufzählt. Die anderen Stücke, die der "cantarsi come"-Tradition entspringen, verdienen besondere Aufmerksamkeit: Eine weitere Version von Dufays Or me veult trägt den Titel O incomparabilis virgo (aufgeführt in einer instrumentalen Fassung), der jedoch in einer anderen Quelle Ave tota casta virgo lautet. Seine Motette Vergine bella hingegen wurde später mit dem Text Sacrosancta immortale et degna spina versehen. Binchois Satz von Christine de Pizans Lamentation Deuil angoisseux ("Qualvoller Schmerz, maßlose Wut, schmerzvolle Verzweiflung, voll Wahnsinn" - der Titel der Fassung aus dem Buxheimer Orgelbuch lautet Dulongesux) wurde mit dem sehr andersartigen Lauda-Text Donna pietosa nel ciel exaltata unterlegt, und sein Werk Craindre vous vueil existiert auch mit dem Text des Regina celi laetare, obwohl sich in diesem Fall auch der ursprüngliche Chanson-Text für den Beginn eines marianischen Triptychons sehr gut zu eignen scheint:


“Ich möchte dich fürchten, süße und werte Dame, zu lieben, zu zweifeln, in Wort und Tat zu preisen,mein ganzes Leben, wo immer ich sein mag,und ich schenke dir, meine Liebe und einzige Freude,mein Herz, so lange ich lebe.”


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Das Van Eyck Project entstand aus dem Wunsch, die für David Rumsey von dem niederländischen Orgelbauer Winold van der Putten nach ikonographischen Zeugnissen so wie auch musikalischen und metallurgische Quellen Analysis rekonstruierte gotische Orgel, die seit ihrer Erbauung 2010 bei Konzerten und Symposien in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz zu hören war, in ein Ensemble von Sängern und Instrumentalisten zu integrieren. Die Wahl der Instrumente und weitere Überlegungen zur Aufführungspraxis entsprechen dabei den berühmten Darstellungen musizierender Engel des Genter Altars von Jan van Eyck aus dem Jahr 1432, entstanden im zeitlichen Umkreis der beiden zentralen Quellen für die Tastenmusik des 15. Jahrhunderts, des Codex Faenza und des Buxheimer Orgelbuchs. Die beteiligten Musiker kennen einander von teils jahrelanger gemeinsamer Arbeit und sind auf die Polyphonie des Mittelalters und der Renaissance spezialisiert.


Brett Leighton stammt aus Australien und studierte bei David Rumsey am Konservatorium seiner Heimatstadt Sydney, später bei Michael Radulescu an der Wiener Musikhochschule. Mitbestimmend für die gleichzeitige Erforschung der Alten Musik war seine Begeisterung für das Cembalospiel. Von 1981 bis 1985 folgte eine weitere Ausbildung als Cembalist bei Jean-Claude Zehnder und Ton Koopman in Basel bzw. Amsterdam. Weitere Impulse verdankt er Luigi Ferdinando Tagliavini, Harald Vogel und Jean Langlais.

1979 gewann Brett Leighton den Paul-Hofhaimer-Preis der Stadt Innsbruck für die Interpretation von Orgelwerken alter Meister, der seit dem zehnjährigen Bestehen des Wettbewerbs noch nie vergeben worden war. Rege Konzerttätigkeit führte ihn seither durch ganz Europa, Japan, Australien, Mexiko und die USA mit Werken nahezu aller Stilepochen. Er spielte zahlreiche Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Orgelwerke. Rundfunkaufnahmen und CD-Produktionen als Solist und im Ensemble belegen seine Kunst. Immer wieder tritt er als Juror bei internationalen Orgelwettbewerben in Erscheinung und ist Verfasser von Artikeln in diversen Fachzeitschriften zur Aufführungspraxis älterer Tastenmusik.

Neben seiner Unterrichtstätigkeit an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz (Orgel, Cembalo und Ensemblemusik) ist Brett Leighton Dozent bei vielen europäischen Festivals und Sommerkursen.


Masako Art, geboren in Kyoto, begann mit dem Harfenspiel nach langjährigen Klavierstudien. Im Anschluss an ihr Studium an der Universität und Unterricht in Historischer Harfe bei William Taylor in Schottland widmete sie sich bei Crawford Young und Heidrun Rosenzweig an der Schola Cantorum Basiliensis den Harfeninstrumenten vom Mittelalter bis zum Barock und erlangte das Diplom für Alte Musik. Es folgte ein Studium bei Mara Galassi an der Scuola Civica in Mailand, das sie 2009 ebenfalls mit einem Diplom beendete.

Als Continuospielerin und Solistin war Masako Art unter René Jacobs, Andrea Marcon und Jean-Claude Malgoire in Berlin, Wien, Stuttgart, Innsbruck, Basel und Paris zu hören. Sie spielt regelmässig in Barockorchestern wie Concerto Vocale, Grand Ecurie et Chambre de Roi, La Cetra, Capriccio, L'Arpa Festante oder Virtuosi delle Muse sowie in diversen Kammerensembles wie dem Ferrara Ensemble oder Il Vero Modo und kann auf zahlreiche CD-, Radio- und Fernsehaufnahmen verweisen. Seit 2008 unterrichtet sie an der Hochschule Luzern - Musik.


Elizabeth Rumsey begann ihre musikalische Ausbildung am Conservatory of Music in Sydney. Dort erlangte sie ein Hochschuldiplom im Fach Blockflöte und kam zum ersten Mal mit der Gambe in Kontakt. Nach ihrem Unterricht in Sydney zog sie nach Europa, um ihre Studien an der Schola Cantorum Basiliensis (Viola da Gamba bei Rebeka Rusó, Fidel bei Randall Cook) weiterzuführen. Ihr Studium schloss sie mit einem Diplom in mittelalterlicher Aufführungspraxis mit Auszeichnung ab.

Als Spezialistin für die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts gilt ihre besondere Vorliebe der Ensemble- und Kammermusik speziell für die Gambe. Sie tritt mit verschiedenen Gamben-Consorts auf (The Earle his Viols, Sestina, Concerto di Viole, Ensemble Dedalus) und spielt Diskant- und Bassgambe in einem Broken Consort sowie Lirone in einem Continuo-Ensemble für die Musik des italienischen Frühbarock. Darüber hinaus arbeitet sie mit verschiedenen Ensembles in Europa und Australien, darunter PER-SONAT, Chant1450, Ensemble Leones, La Morra, Profeti della Quinta und das Orchestra of the Antipodes und ist auf zahlreichen CD- und Rundfunkaufnahmen zu hören. Freude bereiten ihr weiterhin das hochbarocke Repertoire der Kantaten und Passionen zu Weihnachten und Ostern sowie zeitgenössische Neukompositionen für historische Instrumente.


Sabine Lutzenberger erlangte ein Blockflötenkonzertdiplom an der Züricher Hochschule für Musik und studierte anschliessend Mittelalter- und Barockgesang an der Schola Cantorum in Basel. Impulse für ihr künstlerisches Schaffen erhielt sie durch die Zusammenarbeit mit dem ensemble für frühe musik augsburg, durch Pedro Memelsdorff (Mala Punica), Kees Boeke und Paul van Nevel (Huelgas Ensemble). Ihr Repertoire umfasst den Gesang des Mittelalters, der Renaissance und des Barocks. Kontrastierend zu diesem Repertoire liegt ihr Schwerpunkt im Avantgarde-Gesang.

Mit ihrem Ensemble PER-SONAT, solistisch und als Ensemblesängerin trat Sabine Lutzenberger auf vielen der bedeutendsten europäischen Festivals auf (Festival d'Ambronay, Festival van Vlaanderen, Festival Oude Muziek Utrecht, Laus Polyphoniae Antwerpen, Festival de Saintes, Festival Le Thoronet, MDR Musiksommer, Resonanzen Wien, Zeitfenster Berlin, Tage Alter Musik Regensburg). 2006 und 2009 war sie beim Festival 4020 Linz und Wien modern als Interpretin zeitgenössischer Musik zu hören. 2010 gastierte sie im Konzerthaus Casa da Musica in Porto mit Musik von Anton Webern unter Peter Rundel, im Orgelpark Amsterdam sowie auf Einladung des Goetheinstituts in Belgrad beim REMUSICA Festival in Pristina.


Nach einem Studium der Philosophie an der Pontificia Universitas Gregoriana in Rom und einem Diplom in Altphilologie in Bologna begann Giovanni Cantarini bei Claudio Cavina, Ulrich Pfeifer und Michel van Goethem das Studium der historischen Gesangskunst. Danach vertiefte er seine Kenntnisse in Alter Musik an der Schola Cantorum Basiliensis bei Gerd Türk und Dominique Vellard.

Neben einer regen Aktivität als Solist und Ensemblesänger setzt sich Giovanni Cantarini intensiv mit der mittelalterlichen Monodie, dem Madrigal der Renaissance und der frühbarocken Monodie der Kammerkantate auseinander. Eine vielfältige Zusammenarbeit verbindet ihn mit Ensembles wie La Venexiana, Cappella Augustana, Ensemble Melpomen, La Morra, Académie Baroque Européenne, Ensemble Vocale Orlando, Capella Obliqua, Cappella di San Giovanni Evangelista oder Il Cantar Novo. Als Solosänger und Rhapsode zur Kithara widmet sich Giovanni Cantarini in Zusammenarbeit mit Conrad Steinmann der Bearbeitung antiker Dichter. Als Mitarbeiter von Montserrat Figueras am Instituto Superior de Musica in Barcelona und an der Schola Cantorum Basiliensis gab er Kurse als Experte für Poesie und italienische Metrik.


Achim Schulz ist in München aufgewachsen. Er schloss seine Studien in Kirchenmusik, Orgel, Cembalo und Chorleitung erfolgreich mit Diplomen ab und begann dann als Tenor sein Gesangstudium an der Schola Cantorum Basiliensis sowie an der Musikhochschule Basel bei Kurt Widmer und Burga Schwarzbach. Nach mit Auszeichnung abgelegtem Lehr- und Konzertdiplom setzte er seine Studien bei Hans Hotter und Dietrich Fischer-Dieskau fort.

Als Solist widmete sich Achim Schulz zunächst dem Konzert, etwa als Evangelist in Bachs Passionen, sowie mit grosser Begeisterung dem Liedgesang. Auf der Bühne war er als Erzähler Male Choir in Brittens "Lucretia", als Erzähler Tirsis in Da Gaglianos "Daphne" sowie als "Cephale" in Élisabeth Jacquet de La Guerres gleichnamiger Oper zu hören. Nach zehnjähriger intensiver musikalischer Aufbauarbeit und Durchführung von Konzertzyklen sowie Kursen für Historische Aufführungspraxis in Alicante lebt Achim Schulz momentan in Basel und widmet sich seit einigen Jahren insbesondere dem Ensemblesingen in der Renaissance. Er ist Mitglied des Huelgas Ensemble unter Paul Van Nevel sowie des Ensembles Cinquecento in Wien. Ausserdem leitet er sein eigenes Ensemble Troparion.





English notes.


The Lily and the Rose explores the connection between early 15th century courtly love poetry and that which is dedicated to the veneration of Mary. The symbolism of the rose, the lily and the bright star are themes common to both genres, as is the plight of the poet; begging favours of the lady, who remains unattainable by virtue of her holiness. Triptych presents three musical pictures taken from the life of Mary, with the central panel of this “picture” referencing that of the Van Eyck polyptych. The Agnus dei in this case is by Gilles Binchois, as homage to the possibility that it is Binchois himself depicted at the organ.


Many of these songs have been used in various forms with different texts. Or me veult, for example, survives in many sources as far afield as Tenors for English liturgical music, Scottish dance tunes in the 16th century, newly texted as Laude, and today heard in the Buxheimer Orgelbuch piece titled Portigaler. Some of the texts in this programme are obviously sacred but use a language and musical idiom more often associated with the chanson, as evinced by the cantilena motets. Others, like Zacara da Teramo's Rosetta che non canci mai colore (here performed in the lightly-ornamented Faenza Codex version) and Dufay's Craindre vous vueil are – maybe intentionally? - ambiguous.


The Laude form an interesting bridge between the sacred and secular in this repertoire. The final piece, Lantins' In tua memoria, is a fairly standard devotional text in a very spare homophonic setting (it begins: For your sake, Virgin Mother / May we live so as to gain eternal glory, and each subsequent verse makes up the usual litany of praiseworthy Marian attributes), but it is the others in the “cantarsi come” tradition that deserve particular notice. Yet another version of Dufay's Or me veult is given the title O incomparabilis virgo (here played instrumentally), although taken from another source the same piece would be Ave tota casta virgo. His motet Vergine bella is later given the text Sacrosancta immortale et degna spina. Binchois' setting of Christine de Pizan's lament Deuil angoisseux (Anguished grief, fury beyond measure / Grievous despair, full of frenzy; Buxheimer Orgelbuch version entitled Dulongesux) was used for the rather different lauda text Donna pietosa nel ciel exaltata, and his Craindre vous vueil also exists with the text Regina celi laetare (among others), although in this case the original chanson text (itself already a later adaptation of the Italian-texted chanson, albeit with quite distinctive changes of ficta) is so sweet and uncomplicated that it seems apt for the beginning of the Marian Triptych:


            I want to fear you, sweet and worthy lady,

            To love, to doubt, to praise in word and deed

            All my life, wherever I may be

            And I give you, my love and my only joy,

            My heart for as long as I live.